Standortbestimmung: 1. Halbjahr 2015
Wer derzeit Gespräche zur allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und den daraus resultierenden Konsequenzen für die Kapitalmärkte führt, hört immer wieder den Satz: „Na ja, letztendlich hängt ja doch alles von der Zentralbankpolitik ab.“
Dass die Liquiditätsversorgung durch die verschiedenen Zentralbanken die Preise vieler Investments stark beeinflusst bzw. nach oben getrieben hat, steht außer Frage. Von den drei großen Assetklassen Renten, Immobilien und Aktien sind derzeit die Renten am teuersten, hier greifen auch die Zentralbanken am direktesten ein. Die Immobilien folgen und die Aktien sind vergleichsweise am wenigsten teuer.
Was die Entwicklung der Aktienbörse angeht, ist die Annahme, dass die Zentralbanken alleinig für die Kursentwicklung ausschlaggebend sind, mehr als fraglich. Die Vorstellung, dass bei noch so üppiger Liquiditätsausstattung über einen sehr langen Zeitraum immer wieder neues Geld in Unternehmen fließt, die dauerhaft keine Gewinne machen, scheint doch eher abwegig.
Im 20. Jahrhundert, als sich die aktuellen Probleme erst aufbauten, verglich der damalige Altmeister André Kostolany die Wirtschaft mit einem Mann, der mit seinem Hund ‑ der Börse ‑ spazieren geht. Der Hund läuft seinem Herrchen mal voraus, mal hinterher. Aber er entfernt sich eben nie ganz von ihm, dafür sorgt schon die Leine.
Die niedrigen Zinsen und Anleihekäufe der Zentralbanken haben die Leine länger gemacht. Bei zahlreichen Investitionen werden laufende Verzinsungen, d.h. Mieten usw., akzeptiert, die zu anderen Zeiten undenkbar gewesen wären. Viele Investitionen sind nur durch die Hoffnung auf Wertsteigerung motiviert. Doch genau hier liegt der Knackpunkt: Wenn aus Investitionen keine laufende Erträge resultieren und langfristig nichts eine Wertsteigerung rechtfertigt, holt einen irgendwann die Realität ein. Die Leine ist also länger, aber sie ist nicht entfernt worden.
Wenn wir uns die aktuelle Situation an den Börsen anschauen, stellen wir fest, dass die Firmenübernahmen deutlich Fahrt aufnehmen. Jüngste Bespiele sind die Übernahme der BG Group durch Shell oder die Übernahme von TNT Express durch Fedex. Eine große Welle von Firmenübernahmen kennzeichnet traditionell die letzte Phase eines Börsenzyklus. D.h. heißt nicht, dass wir kurz vor einer Baisse stehen, denn erstens sind viele Unternehmenskassen für weitere Firmenübernahmen noch gut gefüllt und zweitens ist die Leine wie gesagt lang. Den Standort des Herrchens haben wir damit bestimmt ‑ und der sollte trotz aller Zentralbankpolitik nicht ganz außer Acht gelassen werden.