Schenken und Stiften
Der Übergang des Vermögens auf nachfolgende Generationen erfolgt zwangsläufig und wird, falls kein Testament vorliegt, per Gesetz geregelt. Wollen Vermögensinhaber dies verhindern und das Erbe nach ihren Vorstellungen gestalten, sollten sie frühzeitig mit der Planung beginnen. Was einfach klingt, ist anspruchsvoll und komplex, weil rationelle und emotionale Aspekte gleichermaßen berücksichtigt sein wollen.
Die Lösung muss in dem Spannungsfeld von Familien- und Vermögensstruktur sowie rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen entwickelt werden und hängt nicht zuletzt auch von den Vorstellungen der Vermögensinhaber ab. Diese Bereiche sind eng miteinander verwoben, weshalb eine strategische und vorausschauende Planung sinnvoll ist.
Die Erkenntnis der eigenen Motivationslage sollte dabei am Anfang stehen, kann aber mitunter eine größere Herausforderung darstellen:
Wer soll von dem Vermögen schlussendlich profitieren?
Soll die Familie (Ehepartner oder Partner, Kinder, Enkel, Nichten und Neffen etc.) bedacht werden, unter Umständen aber auch ausgewählte Personen (Vertraute und Gehilfen, vielleicht auch Ex-Partner oder Geschäftspartner)? Oder soll das Vermögen ganz oder teilweise einer gemeinnützigen Organisation zugutekommen?
Welche Ziele sollen mit dem Erbe umgesetzt werden?
Sollen die Erben für das Vermögen Verantwortung übernehmen oder sollen sie ein sorgenfreies Leben führen und von den Erträgen leben? Soll das Vermögen gerecht verteilt oder nach Möglichkeit als Ganzes zusammengehalten werden?
Welche Teile des aktuellen Vermögens sind essentiell für die Finanzierung der Lebenshaltungskosten und für das Wohlbefinden der Vermögensinhaber notwendig?
Solche Fragestellungen stehen am Anfang. Die Antworten werden von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen und stellen den zunächst gewünschten Rahmen dar.
Idealerweise wird der engste Familienkreis frühzeitig in diese Überlegungen eingebunden. Vertrauen ist gut, Akzeptanz jedoch umso wichtiger, wenn die geplante Vermögensaufteilung nicht von jedem als richtig empfunden wird. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn nicht alle Erben gleichmäßig bedacht werden können oder sollen oder Teile des Vermögens zukünftig einem gemeinnützigen Zweck dienen sollen.
In diesen Prozess können auch die Nachkommen ihre eigene Lebensplanung einbringen oder diese überdenken. Auch sollten deren unterschiedliche Charaktere sowie divergierende Interessen berücksichtigt werden. Dadurch können sich die ursprünglichen Rahmenbedingungen verändern und sogar neue Zielsetzungen für das Vermögen definiert werden.
Kunden eines Family Office haben den Vorteil, dass sie über einen genauen und detaillierten Überblick über ihr Gesamtvermögen verfügen. Gleichzeitig haben sie einen Ansprechpartner für strategische Fragestellungen, der bei Bedarf den Prozess moderieren und auch den Kontakt zu Experten für steuerliche und rechtliche Belange herstellen kann.
Bei den Themen Schenken und Stiften spielt gerade das deutsche Steuerrecht eine bedeutende Rolle, denn es bietet nicht nur zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, sondern beinhaltet auch eine enorme Komplexität. Deshalb sollte bereits in einem frühen Stadium des Zielfindungsprozesses der Rat von Experten gesucht werden, um die rechtliche Machbarkeit der präferierten Lösungen überprüfen zu können und alternative Optionen kennenzulernen. Dabei werden auch verschiedene Gestaltungsformen wie unterschiedliche Familiengesellschaften oder Nießbrauch zur Sprache kommen und mit den Zielen der Vermögensinhaber abgeglichen.
Das deutsche Steuerrecht sieht zudem für Schenkungen und Erbschaften eine progressive Staffel vor, d. h. je höher der Wert von Schenkung oder Erbe, desto höher ist der Steuersatz und desto weniger fällt der Freibetrag ins Gewicht, was Raum für eine Optimierung bietet.
Werden beispielsweise 5 Mio. Euro an ein leibliches Kind verschenkt oder vererbt, wird dieser Betrag nach Abzug des Freibetrags von aktuell 400.000 Euro mit 19 % besteuert. Im Falle von 10 Mio. Euro sind es 23 % und bei 30 Mio. Euro sind es 30 %. Da alle 10 Jahre die Rechnung neu beginnt, lassen sich durch zeitlich gestaffelte Schenkungen die Steuerbelastungen deutlich reduzieren:
Nehmen wir einmal an, es wurde keinerlei Regelungen für einen frühzeitigen Vermögensübergang getroffen und das einzige Kind erbt 30 Mio. Euro. Nach Abzug des Freibetrages müsste der Erbe rund 8,9 Mio. Euro bzw. nahezu ein Drittel an den Fiskus abführen.
Werden die 30 Mio. Euro dagegen in drei gleichen Tranchen im Abstand von jeweils 10 Jahren übertragen, sinkt die steuerliche Belastung erheblich. So kann nach aktuellem Recht jedes Mal der Freibetrag in Anspruch genommen werden. Auch reduziert sich der Steuersatz von 30 % auf 23 %. Dadurch wären dann für jede Tranche á 10 Mio. Euro rund 2,2 Mio. Euro und in der Summe „nur“ noch 6,6 Mio. Euro fällig. Die Steuerersparnis beläuft sich auf rund 2,3 Mio. Euro bzw. 25 %.
Je früher die Planung des Vermögensübertrags beginnt, desto vorausschauender und vor allem flexibler kann er auch gestaltet werden. Größere Vermögen sind typischerweise breit diversifiziert und sollten sich langfristig positiv entwickeln. Zukünftige Wertsteigerungen können dazu führen, dass später übertragene Vermögensteile einem höheren Steuersatz unterworfen werden.
Gleichzeitig sind Wertschwankungen des Vermögens über die Zeit unvermeidlich. Diese fallen typischerweise umso größer aus, je höher der Aktienanteil ist. So schmerzlich die Kursrückgänge sein können, können sie jedoch sinnvoll ausgenutzt werden, wenn die Übertragung eines Wertpapierdepots während eines Aktiencrashs stattfindet: niedrigerer steuerlicher Wert bei gleichzeitig hohem Rückerholungspotential für den Beschenkten.
Nicht zu unterschätzen sind auch die Vorteile eines größeren Startvolumens in der Praxis. Zum einen können die neuen Vermögensinhaber besser lernen, verantwortungsvoll mit größerem Besitz umzugehen. Zum anderen bekommen sie in den Private Banking‑Einheiten der Banken oder bei Vermögensverwaltern nicht nur die mutmaßlich kompetenteren Ansprechpartner und günstigeren Konditionen, sondern auch mehr und bessere Anlageoptionen.
Das Thema Größe spielt bei der Errichtung einer Stiftung eine noch bedeutendere Rolle, denn die Struktur der Stiftung kostet. Selbst wenn alle Beteiligten ehrenamtlich tätig sein sollten, fallen Spesen an, müssen Buchhaltung und Jahresabschluss bezahlt werden etc. Vor allem aber dürften Stifter zur Erfüllung des Stiftungszwecks einen substantiellen ausschüttungsfähigen Ertrag erwarten.
Das stark gesunkene Zinsniveau hat die ökonomisch sinnvolle Mindestgröße einer Stiftung mittlerweile in den zweistelligen Millionenbereich angehoben, sofern es sich nicht um eine sogenannte Verbrauchsstiftung handeln soll, die den Stiftungszweck auch aus dem Grundkapital bedienen darf.
Die Gründung einer eigenen Stiftung ist ein Lebenswerk, das strategischer Planung und schrittweiser Umsetzung bedarf. Wenn Gemeinnützigkeit angestrebt wird, beginnt der Prozess der Willensbildung oft Jahre vor dem Startschuss des eigentlichen Projektes.
Die Gründe, warum man eine eigene Stiftung errichtet, sind vielfältig. Sie reichen von dem Fehlen geeigneter Erben über den Wunsch, nachhaltig Veränderungen zu bewirken oder der Welt etwas zurückgeben zu wollen, bis hin zu reinem Prestigedenken. Neben der Motivation der Stifter spielen natürlich auch hier rechtliche und steuerliche Aspekte bei der Wahl der Rechtsform der Stiftung eine sehr wichtige Rolle.
Der Großteil der bekannten Stiftungen sind rechtsfähige bzw. selbstständige Stiftungen. Diese gelten als gemeinnützig oder mildtätig und sind sowohl hinsichtlich der Einbringung als auch ihren Einnahmen steuerbegünstigt. Allerdings dürfen die Erträge nur für den Stiftungszweck entnommen werden. Dieser wird genauso wie die Organisationsstruktur in der Satzung festgelegt. Da diese von der Stiftungsaufsicht genehmigt werden muss, ist sie zukünftig nur schwer veränderbar.
Selbständige Stiftungen sind juristische Personen in unterschiedlichen Rechtsformen. Diese können als Stiftung bürgerlichen Rechts, als Stiftungsverein oder als Stiftungs-GmbH firmieren. Da die Auflösung einer Stiftung sehr kompliziert ist und die staatliche Genehmigung bzw. Mitwirkung bedarf, sollten sich die Stifter ihrer Motivation sehr sicher sein, denn sie schaffen eine Geldanlage auf lange Zeit.
Treuhandstiftungen oder auch nicht-rechtsfähige oder unselbständige Stiftungen genannt, sind dagegen weniger bürokratisch und auch hinsichtlich der Lebensdauer begrenzbar. Hierfür benötigt der Stifter lediglich einen geeigneten Treuhänder, der eine Vertrauensperson wie Anwalt oder Steuerberater sein kann, oder eine andere Stiftung. In dem dabei geschlossenen Vertrag wird die Schenkung mit der Auflage der Wahrung des Stiftungszwecks geregelt. Auch Treuhandstiftungen können die Gemeinnützigkeit und damit die Steuerbegünstigung beantragen.
Ist die Mildtätigkeit dagegen nicht die Intension der Stifter, sondern der langfristige Erhalt des Familienvermögens als Einheit, kommt die Gründung einer Familienstiftung in Betracht. In diese können auch Firmenanteile eingebracht werden, wobei die Einbringung des Vermögens zunächst steuerbefreit ist. Allerdings wird danach alle 30 Jahre die sogenannte Erbersatzsteuer erhoben, bei der fiktiv ein Erbfall unterstellt und Steuer fällig wird. Zudem bieten Familienstiftungen auch durch höhere Freibeträge und die Anwendung günstigerer Steuerklassen nach gegenwärtiger Rechtslage Potentiale für die Steueroptimierung. Die Erträge der Stiftung werden an die begünstigten Familienmitglieder ausgeschüttet und auch hier kann die Familienstiftung Vorteile gegenüber alternativen Familiengesellschaften bieten. Gleichzeitig ist die Familienstiftung abgeschirmt gegenüber Gläubigern der begünstigten Familienmitglieder.
Der nachhaltige Erfolg bei der Umsetzung des Willens des Stifters hängt maßgeblich auch von der Auswahl geeigneter Personen für die verschiedenen Positionen und Gremien einer Stiftung ab. Fachliche Qualifikation allein reicht dabei ebenso wenig aus wie das Renommee namhafter Kanzleien. Stattdessen müssen Persönlichkeiten beauftragt werden, die später die Stiftung eigenverantwortlich im Sinne des Stifters fortführen sollen. Dies können Familienmitglieder sein oder neue und vor allem jüngere Partner. Insofern benötigen Stifter Vertrauen, Offenheit und Zeit, sich auf sie einzulassen.
Sind die Strukturen erst einmal geschaffen, kann es vorteilhaft sein, zunächst nur einen kleineren Teil des Vermögens in die Stiftung einzubringen. So können Stifter beobachten und überprüfen, wie ihr Wille umgesetzt wird und ob es Anpassungen hinsichtlich Strukturen oder Prozesse bedarf. Diese schrittweise Vorgehensweise ermöglicht es dem Stifter sicherzustellen, dass seine Stiftung mit Einbringung des großen Vermögensteils in seinem Sinne fortgeführt wird.
Mit diesem Beitrag wollen wir Anregungen geben. Die Möglichkeiten der individuellen Umsetzung sind vielfältig und bedürfen der fachkundigen Begleitung von Experten. Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass die aktuellen steuerlichen Regelungen in 10 oder 20 Jahren noch in gleicher Weise Bestand haben.
Die nicht zuletzt durch die gigantischen Rettungsmaßnahmen in Folge der Corona-Pandemie ausufernde Staatsverschuldung muss über kurz oder lang finanziert werden. Sparen fällt Staaten seit je her schwer. Dagegen sind Steuererhöhungen gesellschaftlich gerade dann besonders leicht durchzusetzen, wenn sie vornehmlich „Reiche“ treffen. Zudem verändert sich seit einiger Zeit das gesellschaftliche Klima gegenüber Vermögenden und die Forderung nach Umverteilung wird lauter und nachdrücklicher.
Insofern sollte es niemanden verwundern, wenn zukünftig neben Grundbesitzabgaben auch Schenkungs- und Erbschaftssteuern kräftig erhöht werden. Auch deshalb dürfte es sinnvoll sein, möglichst frühzeitig Regelungen für die Vermögensnachfolge zu treffen.