Ist ein Robo-Advisor ein besserer Vermögensverwalter?
Robo‑Advisors wollen traditionellen Banken und Vermögensverwaltern den Rang ablaufen, zudem möchten sie auch Anleger mit kleinem Geld den Zugang zu einer professionellen Vermögensverwaltung bei erschwinglichen Konditionen bieten.
Inzwischen sind rund 40 unabhängige Neugründungen und Tochtergesellschaften von Großbanken auf diesem Markt aktiv, dessen Wachstumsraten bis zu 30 % p.a. betragen. Ende 2019 vertrauten über 300.000 Anleger in Deutschland diesen Anbietern rund 7,5 Mrd. Euro an, was laut Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) jedoch nur 1 % des Fondsvermögens deutscher Privatanleger entspricht.
Zum besseren Verständnis eines Robo‑Advisors hilft die Unterscheidung zwischen dem Einsatz moderner Technologien im Bereich Organisation und dem Bereich Portfoliomanagement bzw. Anlagepolitik.
Robo‑Advisors können bereits heute die Organisation der gesamten Dienstleistung rund um die Vermögensverwaltung durch digitalisierte Prozesse und den damit verbundenen hohen Standardisierungsgrad kosteneffizient gestalten. Dies kommt auch in Mindestanlagesummen zum Ausdruck, die zum Teil lediglich 1.000 Euro betragen.
Die rechtliche Anbindung des Anlegers, d.h. die Erstellung der Vertragsunterlagen und die Eröffnung eines Depots bei einer Partnerbank, erfolgen online. Um für den Kunden die für ihn richtige Anlagestrategie zu ermitteln, werden dann in menügesteuerten Abfragen seine bisherigen Investmenterfahrungen erfasst und die individuelle Risikoneigung ermittelt. Entsprechend dem so ermittelten Risikoprofil und dem gewünschten Anlagehorizont erhält der Kunde eine der standardisierten Anlagestrategien und die bei der Umsetzung erzielten Ergebnisse kann er über Apps und Online-Zugänge jederzeit und tagesaktuell verfolgen.
Die eigentliche, große Hoffnung liegt allerdings auf dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), worunter man die Fähigkeit von Computern versteht, ohne zusätzliche Eingriffe von Programmierern Wissen zu erwerben und dieses anzuwenden. Computerprogramme sollen durch selbstlernende Prozesse aus einer Unmenge an Daten Muster erkennen und Schlüsse daraus ziehen, was zu einer gegenüber klassischen Vermögensverwaltern überlegenen Performance führen soll.
Allerdings steckt Künstliche Intelligenz in der Vermögensanlage bislang noch in den Kinderschuhen, wie eine Studie der DB Research aus dem Juli 2019 belegt. Zwar werden erste Fonds in den USA und auch in Deutschland durch KI gemanagt, doch bei Robo‑Advisors kommt diese Technologie bislang kaum zum Einsatz.
Stattdessen erhält der Anleger eines Robo‑Advisors ein Portfolio, das sich typischerweise aus Indexfonds, sogenannten ETFs, zusammensetzt. Diese passiven Fonds sind kostengünstiger als traditionelle, aktiv gemanagte Fonds, was Robo‑Advisors als Kostenargument heranziehen.
Diese Portfolios werden typischerweise fortlaufend rebalanciert, d.h. regelmäßig wieder an die Ziel-Allokation angepasst, was je nach Ausgestaltung mehr oder weniger Transaktionen zur Folge hat. Rebalancing ist eine gängige Methode des Risikomanagements.
Manche Robo‑Advisors werben auch mit eigenen Risikomanagementsystemen, wobei es sich meist um Trendfolge-Systeme oder sogenannte Value-at-Risk-Prozeduren handelt, die bei großen institutionellen Anlegern wie Versicherungen und Pensionskassen zum Einsatz kommen. Lebensversicherungen sind beispielsweise darauf angewiesen, das garantierte Kapital zum vereinbarten Zeitpunkt tatsächlich zahlen zu können. Für den Einsatz bei Privatanlegern sind solche Systeme jedoch umstritten, da sie für die kurzfristigen Handelsbestände einer Bank und nicht für die langfristigen Depots von Privatanlegern entwickelt wurden.
Insofern lohnt eine Analyse der tatsächlich erzielten Ergebnisse, so vergibt das Online-Portal Brokervergleich.de seit 2016 an verschiedene Robo‑Advisors Mandate mit einer ausbalancierten Strategie. Als Vergleichsmaßstab wird dabei eine Benchmark herangezogen, die je zur Hälfte aus weltweiten Aktien- bzw. Anleihen-Indizes besteht.
In der nachfolgenden Matrix sind die Ergebnisse dieses „Echtgeldtests“ für die Jahre 2016 bis 2019 zusammenfassend dargestellt.
Rein zahlenmäßig waren 2016 und 2017 eher durchschnittliche Anlagejahre. In diesen beiden Zeiträumen haben es jeweils zwei Robo‑Advisors geschafft, die Benchmark nach Kosten zu übertreffen. Dagegen prägten die erheblichen Kursverluste im 4. Quartal das Jahr 2018 und die darauffolgende starke Erholung das Jahr 2019, und in diesen beiden Jahren konnte kein einziger des inzwischen größer gewordenen Teilnehmerfeldes die Benchmark erreichen.
Im Vergleich mit den von uns betreuten Depots schneiden die Robo‑Advisors ungünstig ab, denn in den Jahren 2016 bis 2018 war jeweils mindestens einer unserer Vermögensverwalter deutlich besser als der jeweils beste Robo‑Advisor. Lediglich 2019, als die Kursentwicklung maßgeblich vom US-Technologiesektor getrieben war, fallen unsere Depots etwas ab, da unsere Kunden ihren Schwerpunkt auf europäische Anlagen setzen und somit Depots mit dem MSCI World als Benchmark, der eine US-Aktienquote von über 50 % besitzt, nicht mithalten konnten.
Umso interessanter ist das Abschneiden der Robo‑Advisors im bisherigen Jahresverlauf: In der nachfolgenden Tabelle sind die Ergebnisse der 14 Anbieter, die bereits 2019 am Echtgeldtest teilgenommen haben, bis Mitte Mai 2020 fortgeschrieben.
Lagen die meisten Anbieter im Jahr 2019 noch vergleichsweise dicht zusammen, ist die Spreizung im bisherigen Jahresverlauf erheblich. Während der beste Teilnehmer die Wertrückgänge in diesem Jahr auf 1,8 % begrenzen konnte und damit besser abgeschnitten hat als die statische Benchmark, muss der schlechteste einen Rückgang von fast 20 % ausweisen. Das ist fast so viel wie der deutsche Aktienindex DAX an Wert eingebüßt hat.
Auch im Corona Crash müssen die von uns betreuten Depots den Vergleich mit Robo‑Advisors nicht scheuen. Der beste Verwalter unserer Kunden konnte beispielsweise die zwischenzeitlich eingetretenen Kursrückgänge bis Mitte Mai wieder aufholen, was keiner der Robo‑Advisors geschafft hat.
Insgesamt sind die erzielten Ergebnisse im Vergleich zum Anspruch der Robo‑Advisors bislang ernüchternd. Ein Grund dafür ist das mittels Algorithmus gesteuerte Risikomanagement einzelner Teilnehmer, deren Schwachstellen die Corona-Krise schonungslos offenlegte. Das musste insbesondere der Tabellenletzte Scalable Capital erfahren, der mit über zwei Mrd. Euro Anlagegeldern einen Marktanteil von nahezu einem Drittel hat.
Bei dem verwendeten Value-at-Risk-Modell wird je nach Intensität der Kursschwankung der Investitionsgrad von Aktien variiert – steigt die Volatilität an, weil die Börsen fallen, wird der Risikograd verringert und umgekehrt.
In der Theorie können dadurch große und nachhaltige Kursrückgänge vermieden werden, wenn das System rechtzeitig Verkaufssignale generiert. Dabei muss jedoch in Kauf genommen werden, dass die Portfolios wegen dem geringeren Investitionsgrad in Aktien von der anschließenden Börsenerholung nur unterdurchschnittlich partizipieren.
In der Praxis hatte Scalable Capital zu Jahresbeginn mit über 70 % die höchste Aktienquote aller Teilnehmer. Der Kurssturz war jedoch so schnell und so heftig, dass die Quote bis Ende März lediglich auf knapp 40 % reduziert werden konnte. Da die erheblich gestiegene Intensität der Kursschwankungen (Volatilität) gemäß Modell keine höheren Aktienquoten erlaubt, wurde der Aktienanteil weiter auf unter 30 % reduziert, obwohl die starke Rückerholung an den Börsen bereits eingesetzt hatte.
Während es deutliche Unterschiede in der Güte der Anlagestrategien und -prozeduren der einzelnen Anbieter gibt, hat die Umschlaghäufigkeit (siehe rechte Spalte der Tabelle auf der vorangegangenen Seite) für das erzielte Ergebnis dagegen keine Relevanz, wenngleich es hier erhebliche Unterschiede gibt. Während manche Robo‑Advisors kaum Umschichtungen vornehmen, sind andere sehr aktiv. So sind selbst in unspektakulären Marktphasen Portfolioanpassungen in Höhe von 25 % des Depots und mehr pro Monat keine Seltenheit.
Der Echtzeittest ist nicht die einzige Untersuchung zur Leistungsfähigkeit der Robo‑Advisors, so kam bereits im Juli 2019 eine Studie der Zeitschrift Capital zu einem vernichtenden Urteil: „die Masse enttäuscht“. Die Tester untersuchten nicht nur „Rendite“, sondern auch „Profilierung“, „Investment“ und „Service“. Lediglich vier der Kandidaten stachen aus der Masse hervor. Deren Vorsprung entstand aber im Wesentlichen in den Kategorien „Profilierung“ und „Investment“ und nicht in der Kategorie „Rendite“. Die Studie umfasste mehr Robo‑Advisors als der Brokervergleich, reicht aber nicht so lange zurück.
Bleibt noch das Kostenargument. Der Großteil der Anbieter erhebt für seine Dienstleistung Gebühren in Höhe von 0,5 % bis 1,0 % p.a. Hinzu kommen noch die Transaktionsgebühren und die Kosten der Indexfonds (ETFs), wobei Töchter von Großbanken häufig konzerneigene Produkte zum Einsatz bringen. Nach einer Studie von FondsConsult betragen beim teuersten Anbieter die tatsächlichen Gesamtkosten 2,88 % p.a.
Eigentlich hätte man aufgrund der erheblichen Effizienzvorteile davon ausgehen können, dass die Kosten im Vergleich zu Banken und Vermögensverwaltern deutlich niedriger sein müssten. Doch auch Robo‑Advisors benötigen einen hohen Marketingaufwand und dennoch hat deren Großteil die kritische Masse noch nicht erreicht und ist deshalb nicht profitabel.
Summa summarum drängen sich Robo‑Advisors weder durch Performance noch durch Kostenvorteile auf, Stand heute liefern sie lediglich einen digitalisierten Prozess zur Anbindung und laufenden Betreuung des Kunden. Da sie Künstliche Intelligenz für die Anlagepolitik erst etablieren müssen, ist dies ein Versprechen für die Zukunft.
Für kleinere Vermögen sind gut gemanagte Mischfonds eine Alternative, bei denen die Kostenunterschiede nicht groß sind und durch Performanceunterschiede häufig mehr als aufgewogen werden können.
Größere und große Vermögen haben bei ihren Banken und Vermögensverwaltern individuell gestaltete Konditionsvereinbarungen, wodurch die Kosten im Vergleich zu einem Robo‑Advisor ohnehin geringer sind.
Deshalb bleibt die traditionelle Zusammenarbeit mit aktiven Verwaltern des Vertrauens die erste Wahl für große Privatvermögen. Sie können zudem persönlich auf individuelle Wünsche und Bedürfnisse eingehen und diese umsetzen - und last but not least bieten sie auch die bessere Performanceperspektive.