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Die Kryptowährungen Bitcoin & Co. Spekulation oder Investition?

Die Geschichte von Bitcoin, der ersten und nach wie vor wichtigsten der mittlerweile über 7.000 Kryptowährungen, ist erstaunlich: 2008 aus der Taufe gehoben, wurden Bitcoins kürzlich von El Salvador als offizielles Zahlungsmittel zugelassen.

Die bisherige Preisentwicklung glich einem Husarenritt: Auf Kursexplosionen folgten bereits dreimal Kursstütze um mehr als 80 %. Der jüngste Höhenflug startete im März 2020 bei gut 5.000 US-Dollar und endete Mitte April 2021 bei über 64.000 US-Dollar. Zu diesem Zeitpunkt übertraf der Wert aller Bitcoins zusammen das Schweizer Bruttoinlandsprodukt, und die Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen zusammen reichte mit über 2,4 Bio. US-Dollar fast an die Jahreswirtschaftsleistung Frankreichs heran. 

Seitdem halbierte sich der Kurs wieder. Zum Redaktionsschluss am 20. Juli kostete ein Bitcoin knapp 30.000 US-Dollar. Für Skeptiker sind Bitcoin & Co damit eine der größten Blasen der Geschichte, die Befürworter sehen in ihnen „die“ Zukunft der Zahlungssysteme, was insbesondere an der Technologie liegt.

Blockchain – die Technologie hinter Kryptowährungen

Kryptowährungen basieren auf der sogenannten Blockchain‑Technologie. Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um eine Liste von Datensätzen, die kryptographisch, d. h. verschlüsselt, miteinander verknüpft werden. Der Fortschritt ist die Dezentralität von Programmierung und Speicherung. Somit können die Datenketten von beliebigen Nutzern erweitert werden, sofern sie mit dem öffentlich zugänglichen Programmiercode vertraut sind.

Jeder Datensatz enthält konkrete Angaben zu Vorgänger, Transaktionsart und -datum. Durch die Verschlüsselung sind die Datenketten eindeutig, manipulationssicher und durch die Dezentralität vor Hackerangriffen geschützt. Andererseits existiert keine zentrale Instanz, die regulatorisch zur Verantwortung gezogen werden kann.

Die Anwendungsbereiche dieser Technologie sind sehr vielfältig. So lassen sich Identitäten digital zertifizieren, um Verträge digital zu unterzeichnen oder Wahlen abzuhalten. Firmen können ihre online Marketingaktivitäten kontrollieren und Unilever überwacht die Klimaneutralität der Lieferketten durch eine Blockchain (z. B. Identifikation illegaler Brandrodungen).

Der Einsatz von Blockchain‑Technologie ermöglicht zudem die Realisierung erheblicher Einsparungspotentiale, was viele Arbeitsabläufe radikal verändern und ganze Branchen beeinflussen wird. Darüber hinaus können Blockchains überall dort zum Einsatz kommen, wo Dritte den Geldtransfer verlangsamen und verteuern. Dies dürften die Geschäftsmodelle der klassischen Geschäftsbanken noch in Frage stellen.

Verschiedene Blockchains für Kryptowährungen

Kryptowährungen sind bislang jedoch noch die bekannteste Anwendung der Blockchain‑Technologie. Statt eines physischen Geldscheins wird gleichsam das Besitzrecht an einer digitalen Münze weitergereicht, wobei die Daten aller Vorgänger mitgeliefert werden.

Die verschiedenen Kryptowährungen unterscheiden sich durch die Merkmale der jeweiligen Blockchain. Die wichtigste Eigenschaft von Bitcoin ist dessen Endlichkeit. Aktuell gibt es bereits rund 18,5 Mio. Stück. Der letzte der insgesamt 21 Mio. Bitcoins soll im Jahr 2040 geschürft worden sein. Der Prozess der Verlängerung der Datenkette wird als Mining bezeichnet und benötigt auch wegen der dezentralen Speicherung enorme Rechnerkapazitäten.

Die 2015 ins Leben gerufene Ethereum Blockchain ist mit einem Anteil von fast 20 % die Nummer zwei im Markt und basiert auf der gleichnamigen Blockchain. Sie verfügt im Vergleich zu Bitcoin über vielfältigere Einsatzmöglichkeiten, weshalb sie auch als vielversprechender gilt. Dort können beispielsweise Eigentumsrechte von Immobilien, Kunst oder auch Musiklizenzen integriert und in sogenannten Token verbrieft werden. Werden diese mit Verträgen (Smart Contracts) verknüpft, können die jeweiligen Zahlungen auslöst werden.

 Der Nutzen von Kryptowährungen

Bitcoin & Co können zwei eng miteinander verbundene Funktionen erfüllen: 

Zahlungsmittel und Verrechnungseinheit,

Wertaufbewahrung und damit Kapitalanlage.

 

Kryptowährungen treten als staatenlose Währungen auf, können weltweit eingesetzt werden und benötigen lediglich ein funktionierendes Internet. Damit treten sie in unmittelbare Konkurrenz zu traditionellem Papiergeld. Allerdings werden die nationalen Notenbanken ihre Monopole in der Geldpolitik nicht hergeben, die längst mit den Planungen für eigene Digitalwährungen wie den e-Euro oder e-Dollar als wertgleiche Pendants zum Papiergeld begonnen haben. El Salvador stellt hier eine Ausnahme dar, da dort der US-Dollar bislang das einzige offizielle Zahlungsmittel war.

Die erste Voraussetzung für den Einsatz als Zahlungsmittel ist Vertrauen. Zudem sind Handelbarkeit und ein Mindestmaß an Wertstabilität notwendig. Trotz der großen Preisschwankungen von Bitcoin haben einzelne Unternehmen bereits bekannt gegeben, diese als Bezahlung zu akzeptieren oder halten sogar ihre strategischen Reserven in Bitcoin.

Auch im Zahlungsverkehr im Interbankensektor hält die neue Technologie Einzug. JPMorgan will beispielsweise mit einer grenzüberschreitenden Blockchain zwischen Taiwan und Indonesien den Zahlungsverkehr über Kryptowährungen zwischen den beiden Volkswirtschaften fernab von US-Dollar und Chinesischem Yuan organisieren.

 

Die Erfolgsgeschichte von Bitcoin & Co kann teilweise auch als ein Misstrauensvotum gegen die FED, die EZB und andere große Notenbanken interpretiert werden, die ihre Bilanzsummen seit der Finanzkrise 2008 im Schnitt um rund 15 % pro Jahr ausgeweitet haben – mit mutmaßlich negativen Auswirkungen auf die Geldwertstabilität.

Knappheit des Volumens und Unabhängigkeit von den Notenbanken waren seinerzeit die Gründe für die Entwicklung von Bitcoin. Eine solche digitale Münze kann als digitaler Wertspeicher jenseits des herkömmlichen Finanzsystems fungieren, weshalb Bitcoins oftmals auch mit Gold verglichen werden. Allerdings dürfte die Furcht vor Kaufkraftverlust zumindest bislang nicht das Hauptmotiv für die Anlage in Kryptowährungen gewesen sein.

Angesichts der spektakulären Kursentwicklung steht für die meisten Anleger die Spekulation im Vordergrund, zumal Kryptowährungen keinen laufenden Ertrag z. B. in Form von Zins oder Ausschüttung haben. Anders als bei herkömmlichen Anlageklassen fehlt bei Gold, Rohöl und anderen Rohstoffen sowie Kryptowährungen ein solcher Anker für die Bewertung. Insofern lässt sich zwar ein Preis vereinbaren, aber kein Ertragswert bestimmen.

Die Produktionskosten können zumindest als Referenz dienen. Schätzungen zufolge sollen inzwischen die Kosten für Hardware und Energie bei der Schürfung eines Bitcoins zwischen 4.000 und 7.500 US-Dollar liegen – falls die Strompreise beispielsweise so gering wie in China sind. Der gezahlte Preis ist folglich eine Spekulation auf eine zukünftig steigende Bedeutung oder eine Anlage in eine alternative Wertaufbewahrung.

Die Regulierung von Kryptowährungen

Der Markt für Kryptowährungen ist zwar sehr jung und entsprechend unausgereift, aber nicht unreguliert, denn für Handel und Besitz von Kryptowährungen gilt das jeweilige nationale Recht. Allerdings entzieht sich das Blockchain‑Netzwerk selbst dem Zugriff von Staaten.

Während alle Staaten ein Schattenbankensystem verhindern wollen, wird die Regulierung von der jeweiligen Motivationslage bestimmt. In liberalen Industriestaaten sollen vornehmlich kriminelle Handlungen wie Erpressung, Geldwäsche und Steuerhinterziehung unterbunden werden. In Staaten mit tendenziell schwachen Währungen gilt es darüber hinaus, Kryptowährungen als Alternativ- bzw. Ausweichwährung zu verhindern. Totalitäre Systeme streben die volle Kontrolle an. Da Kryptowährungen die Wirksamkeit von Kapitalverkehrskontrollen bedrohen, hat die chinesische Zentralbank Bitcoin & Co bereits als Zahlungsmittel untersagt und die Regierung geht inzwischen auch gegen die Vielzahl der Miner im Land vor.

Abgesehen von diesen Verboten, steht die spezifische Regulierung des normalen Umgangs mit Bitcoin & Co noch in der Anfangsphase. Seit kurzem sind Spezialfonds für institutionelle Anleger zumindest Erwerb und Halten von Kryptowährungen in begrenztem Umfang erlaubt. Eine solche Regelung steht für Publikumsfonds ebenso aus wie die Einbindung von Geschäftsbanken in den Handel für Privatpersonen. Folglich müssen sich Anleger neue Partner suchen oder Umwege gehen (siehe Kapitel zu Engagements in Kryptowährungen).

Risiken und Nebenwirkungen

Die Blockchain‑Technologie steht erst am Beginn ihrer Entwicklung; gleiches gilt für Kryptowährungen. Dementsprechend ist das Wissen des Großteils der Marktteilnehmer gering, was in den extremen Kursausschlägen zum Ausdruck kommt.

Trotz des noch jungen Alters haftet Kryptowährungen und speziell Bitcoins bereits ein negatives Image an. Hackern dienten Bitcoins oft als Währung bei Lösegeldforderungen. Jüngstes Beispiel ist die Stilllegung der größten Benzin-Pipeline in den USA, wobei der Betreiber Millionen Bitcoins an die Erpresser gezahlt hat. 

Zwar wurde noch kein Bitcoin‑Miner gehackt, wohl aber Handelsplattformen, denen dann Daten zu den digitalen Münzen gestohlen worden sind. 20 % aller Bitcoins gelten bereits als verschollen, wobei hier auch nicht mehr wiederherstellbare Passwörter eine Rolle spielen.

Eine der größten Herausforderungen für die zukünftige Akzeptanz von Kryptowährungen ist jedoch das Umweltproblem. Bei jeder Transaktion erweitert sich der Datensatz, der dann wieder zig-fach dezentral gespeichert wird. Im Jahr 2020 lag der Umschlagsfaktor aller Bitcoins bei 150 %, was enorme Rechnerkapazitäten voraussetzt und entsprechend Energie verbraucht.

Dabei benötigt eine Bitcoin‑Transaktion so viel Strom, wie ein amerikanischer Haushalt in 52 Tagen verbraucht. Der Energieverbrauch eines Jahres entspricht in etwa dem der Niederlande. Der CO2-Fußabdruck ist folglich enorm groß.

Dementsprechend findet das Mining oft in China und Russland statt, da Energie dort subventioniert wird und der Anteil alternativer Energien gering ist. Gerade in der aktuellen Diskussion über CO2-Neutralität und Nachhaltigkeit regt sich deshalb auch Widerstand gegen Bitcoin & Co.

Summa Summarum

Roy Amara, Mitgründer des „Institute for the Future“ im kalifornischen Palo Alto im Zentrum des Silicon Valley, formulierte die These, wonach die Wirkung einer Technologie kurzfristig überschätzt und langfristig unterschätzt wird (Amarasche Gesetz).

Der beste Beleg dafür lieferte die Technologieblase um die Jahrtausendwende. Seinerzeit wurden die Kurse von längst untergegangenen Internet-Unternehmen in die Höhe getrieben. Die Visionen von damals sind inzwischen weit übertroffen worden, aber die Gewinner sind meist andere Unternehmen als seinerzeit angenommen wurde. Zudem wurde die neue Technologie auch von damals als Old Ecomomy belächelten Unternehmen adaptiert.

Derzeit wird um Bitcoin & Co ebenfalls viel Lärm produziert. Die Kursentwicklung und auch das stark angewachsene Interesse in der Öffentlichkeit, von Medien und auch ungeübter Anleger, erinnern uns an diese Zeit.

Der eigentliche Fortschritt ist die Blockchain‑Technologie, deren effizienzsteigernde Wirkungen sich erst beginnen zu entfalten. Dabei dürften auch hierbei diejenigen Unternehmen zu den Gewinnern zählen, die mit der neuen Technologie am besten umzugehen wissen. Kryptowährungen als Verrechnungseinheit sind zumindest bislang integraler Bestandteil der Blockchain‑Technologie. Ihre Rolle als alternativer und auch nachhaltiger Wertspeicher müssen sie erst noch finden.

Zum Abschluss: Engagements in Kryptowährungen

Bei einem möglichen Engagement sollte man sich der besonderen Risiken von Kryptowährungen bewusst sein. Dies betrifft nicht nur die extreme Schwankungsanfälligkeit, die mit fortschreitender Institutionalisierung der Anlageform abnehmen sollte, sondern auch den gering ausgeprägten Stand der Regulierung.

Bei der Auswahl von Kryptowährungen sollte man sich bewusst machen, dass diese immer in Verbindung mit der zugehörigen Blockchain steht, weshalb man sich mit deren Merkmalen auseinandersetzen sollte. Angesichts der Vielzahl an Kryptowährungen werden Netzwerkeffekte wie bei Plattformunternehmen (Google, Amazon etc.) zu einem „The Winner Takes It All“ führen. Grundsätzlich sollten zwar die heutigen Branchengrößen dabei bessere Chancen haben. Für den langfristigen Erfolg einer Kryptowährung ist die Erfüllung von nachfolgenden Faktoren entscheidend:

entweder die Limitierung der Menge, um als alternative Wertaufbewahrung attraktiv zu sein, oder

eine überlegene Blockchain‑Technologie mit einem breiten Spektrum an Einsatzmöglichkeiten als Wettbewerbsvorteil;

für alle Kryptowährungen gilt, dass sie für einen langfristigen Erfolg ihr Umweltproblem in Griff kriegen müssen.

Der Erwerb von Bitcoin & Co erfolgt heutzutage über verschiedene spezialisierte Kryptobörsen wie Coinbase oder BSDEX, die zur Börse Stuttgart gehört. Kryptobörsen organisieren den Handel, indem sie entweder eine Plattform für Käufer und Verkäufer bieten oder selbst Kurse stellen und Bestände an Bitcoin & Co auf das eigene Buch nehmen. Dabei sind die Unterschiede hinsichtlich Kosten und Transparenz zwischen den Anbietern groß.

Die digitalen Münzen werden dabei dem Anleger virtuell zugeteilt, wobei sie in Form einer Datei auf dem Online-Account oder dem digitalen Geldbeutel (Wallet) sind. Allerdings befinden sich Kryptobörsen häufig im Ausland und sie sind damit kein Mitglied einer Einlagensicherung wie das bei Banken der Fall ist. Dementsprechend ist im Falle einer Insolvenz der Börse das dort verbuchte Vermögen für den Anleger verloren.

Neben dem Kauf echter Kryptowährungen über diverse Handelsplattformen besteht die Möglichkeit, durch den Erwerb von Zertifikaten oder komplexen Finanzprodukten wie CFDs an deren Wertentwicklung zu partizipieren. Allerdings sind damit zusätzliche Kosten verbunden und auch hier bestehen Emittentenrisiken.

Es ist bereits absehbar, dass erste traditionelle Geschäftsbanken ihren Kunden ein entsprechendes Angebot zum Erwerb und Halten digitaler Währungen machen können. Ebenso wird es Zeit benötigen, bis Bitcoin & Co aus der spekulativen Ecke herauskommen und einen festen Platz im globalen Währungsgefüge erhalten. In diesem Zusammenhang ‑ aber nicht nur deswegen ‑ wird von entscheidender Bedeutung, was die Regulatorik macht.